Sonate für Violine und Klavier

[1982/83] | Dauer: 18’00“

In meiner Sonate für Violine und Klavier (1982/83) habe ich die wohl gültigste musikalische Form des 18. und 19. Jahrhunderts vorbehaltlos zur Grundlage der Gestaltung gewählt; ich habe dies getan, ohne sie zu hinterfragen oder mit „neuen Inhalten“ erfüllen zu wollen. Ich habe im Gegenteil versucht, das heute musikalisch weitgehend erschöpfend interpretierte Modell der klassischen Sonate ohne jeden Anspruch einer neuartigen Deutung oder Umformung als eben solches anzuwenden, auch wenn es auf diese Weise zunächst banal erscheinen mochte. Denn gerade eine solche Banalität zu thematisieren war für mich der Anreiz und Ausgangspunkt meiner Komposition.

Ich habe die Oberflächlichkeit einer durch Jahrhunderte ausgeschlachteten Form mit einer bewusst extrovertierten, sich auch zu äußerlichem Effekt durchaus bekennenden Musiksprache verbunden. Zu meinem eigenen Vergnügen habe in diesem Stück einmal ganz auf „reißerische“ Elemente gesetzt, ohne damit allerdings ein stilistisches oder gar ideologisches Bekenntnis ablegen zu wollen. Und wenn ich die in der Violinsonate gewählten musikalischen Ausdrucksmittel in meinen späteren Werken auch im Prinzip wieder aufgegeben habe, so entwickelte sich für mich in diesem Stück dennoch ein befruchtendes Spannungsverhältnis zwischen einem besonders im 19. Jahrhundert oft überfrachteten Gattungsbegriff und der Möglichkeit seiner spielerisch-unprätentiösen Auslegung aus heutiger Sicht. Ich habe so einerseits die Fragwürdigkeit der klassischen Sonatenform in der Gegenwart bewusst zu machen versucht, andererseits aber wiederum gerade diese Form auf eine sehr persönliche und auch für mich einmalige Art anerkannt.

Martin Lichtfuss